Therapeutisches Drug Monitoring

Therapeutisches Drug Monitoring. (TDM)
Labor für Klinische Psychopharmakologie .

Ein pharmakologisches Labor in einer psychiatrischen Klinik hat heutzutage selbstverständlich die Aufgabe, Serumspiegel der klinisch eingesetzten Psychopharmaka und ihrer Metaboliten zu bestimmen.

Die Response auf ein Psychopharmakon ist ausserordentlich variabel und meist nicht mit ausreichender Präzision vorhersagbar. Denn zum einen ist die Pharmakokinetik  und damit der für die Wirkung verantwortliche Serumspiegel eines Medikaments grundsätzlich durch Dosis, Genetik, Alter, Geschlecht, Alkoholgenuss, Rauchen, Komedikation usw. determiniert . Dazu aber kommt noch, dass selbst bei einem fixen Serumspiegel die klinische Response noch unterschiedlich ausfallen kann und dass die Empfindlichkeit Im Hinsicht auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen auch interindividuell sehr variabel ist. Dementsprechend gibt es derzeit viel Gerede über die “personalisierte Medizin”€. De facto ist aber das TDM, d.h. die Bestimmung des Medikamentenblutspiegels auf dem Hintergrund seriös und sorgfältig erarbeiteter Referenzbereiche die einzige Methode, die nachweislich  in der Lage ist, die Variabilität der Response zu verkleinern und damit Wirksamkeit und  Sicherheit einer psychotropen Medikation zu optimieren. (Wobei einmal angemerkt werden sollte, dass es eine Korrelation zwischen Höhe des Blutspiegels und der klinischen Response natürlich nur bei Respondern geben kann !)  Und nota : Durch die Interaktion des Medikaments A mit einem neu hinzugefügten Medikament B , das die Metabolisierung von A beeinträchtigt, kann eine u.U. lebensgefährliche Erhöhung des Blutspiegels von A resultieren. Wird kein routinemäßiges TDM durchgeführt, ist das Erstaunen und Erschrecken groß, wenn der Patient morgens tot im Bett liegt. (vgl. Hiemke et al 2005 ; Preskorn, 2014)

Zu Beginn meiner Tätigkeit an der Psychiatrischen Klinik der FU Berlin traf ich dort auf die bereits laufende sog. Taxilan-Studie, eine multidimensionale Untersuchung, die versuchte , klinische und biologische Variablen unter einer Therapie mit dem damals sehr gebräuchlichen Neuroleptikum Perazin (“Taxilan”) in Beziehung zu bringen. Die Methode aber, die bislang im benachbarten Institut für Neuropsychopharmakologie benutzt wurde, um die Perazin-Blutspiegel zu messen, war aus meiner Sicht völlig ungeeignet. So bestand erst einmal ein Anlass, neues analytisches Werkzeug für die Bestimmung der gebräuchlichsten Psychopharmaka aufzubauen. Wir führten dazu dünnschicht- und gaschromatografische Methoden , später auch die HPLC ins Labor ein. 1977 publizierten wir einen Vergleich der Ergebnisse TLC-und GLC-grafischer Methoden zur Perazinbestimmung (54), der im Rahmen einer Dissertation noch fortgeführt wurde. (98; 108) . Dr. Jürgen Schley war im Labor als Chemiker maßgeblich an diesen Entwicklungen beteiligt. Für die Analyse klinischer Daten langfristig mit Perazin behandelter schizophrener Patienten spielten die TDM Ergebnisse eine wichtige Rolle. (65; 72) Und schließlich konnte damit auch der Perazin-Stoffwechsel bei gesunden Versuchspersonen präzise untersucht werden. (122 )

Zunehmend wurde in den späten 70er Jahren deutlich, dass auch für die antidepressive Therapie das TDM eine wichtige Rolle in Zukunft spielen würde. bzw. sollte (76; 87; 89 )

Schon früh kam insbesondere in den Gruppen, die sich mit der Bestimmung von Antikonvulsiva im Serum beschäftigten, der Wunsch nach einem Vergleich der verschiedenen benutzten Methoden auf, da die Ergebnisse doch offensichtlich häufig stark differierten. (77). Einige deutsche Kliniken, die entsprechende Labore betrieben, taten sich dann zu einer ersten gemeinsamen Qualitätskontrolle zusammen,-- Ringversuche für die Bestimmung von Psychopharmaka wurden in dieser Zeit auf dem Markt noch überhaupt nicht angeboten. (131; 143).

Ob das TDM tatsächlich die Therapieergebnisse optimieren könnte, wurde zu Beginn der 80er Jahre zunehmend kontrovers diskutiert. (137; 149) und führte schließlich zur Gründung der später sehr erfolgreichen TDM-Arbeitsgruppe innerhalb der AGNP. Mit prominenten Kollegen und Laborspezialisten wie Christoph Hiemke (Mainz) oder Pierre Baumann (Lausanne) aber auch für das TDM engagierten Krankenhaus-Psychiatern wie z.B. G.Laux war es möglich schlußendlich zu wissenschaftlich konsentierten und praxisorientierten, immer wieder aktualisierten Guidelines zu gelangen , die bis heute ein Alleinstellungsmerkmal dieses Zusammenschlusses einiger europäischer Länder darstellen. ( 588).

Da die Laborbestimmungen doch immer geraume Zeit in Anspruch nahmen, wurde das Bedürfnis geäussert, für die Compliance-Kontrolle ambulanter Patienten schnellere Methoden zu entwickeln. Ein Test-Stick zum schnellen semiquantitativen Nachweis des Antidepressivums Nomifensin wurde deshalb von der Fa. Hoechst entwickelt und von uns auf seine praktische Brauchbarkeit untersucht. (133).

Ein spezielles Thema war die Frage, inwieweit eine spezifische hochaffine Proteinbindung von Psychopharmaka , insbesondere Neuroleptika, für die Bewertung von TDM Ergebnissen und Optimierung der Medikation mit berücksichtigt werden müsste. Dr. Schley hat sich speziell dieser Fragestellung in vielen Versuchen angenommen. (81). In diesem Zusammenhang spielte das alpha-1-Glycoprotein eine besondere Rolle, mit dem sich insbesondere auch die Tübinger Arbeitsgruppe von Ursula Breyer-Pfaff beschäftigte. (95; 113; 156) Eine Dissertation untersuchte speziell, ob diese Bindung für die therapeutische Wirksamkeit von Perazin eine Rolle spielen könnte. (191) Weitere Arbeiten galten dann allgemein der hochaffinen Proteinbindung anderer trizyklischer Substanzen (205)

Inwieweit sich die therapeutische Wirksamkeit einer neuroleptischen Medikation durch die pharmakokinetische und klinische Analyse der Gabe einer Testdosis von Perazin voraussagen ließ, beschäftigte uns in Zusammenarbeit mit W.Gaebel und A.Pietzcker. (281; 284; 288; 298;   340; 357; 380)

Zusammenfassend über Qualitätskontrolle, Kosten und Interpretation von Perazin-Blutspiegelbestimmungen wurde 1988 berichtet. (275). Für eine breite Akzeptanz des TDM in den Kliniken spielte die Kostenfrage natürlich eine wesentliche Rolle. (376). Der Beziehung von Nutzen und Kosten eines TDM wurde in einer größeren Dissertationsarbeit nachgegangen. (193; 206)

Andere Fragestellungen galten der unterschiedlichen Kinetik von Clomipramin und Maprotilin bei parenteraler und peroraler Applikation. (165)

In den 80er Jahren wurde von uns auch intensiv die mögliche Bedeutung des Handschrifttests für eine optimierte neuroleptische Dosierung untersucht, insbesondere im Rahmen des Dissertation von U.Küstner (196; 224; 244; 278; 282; 308)

Der praktischen Bedeutung eines Routine-Screenings auf Benzodiazepine galt die Dissertation von O. Liesenfeld (312)

Die Ergebnisse der erwähnten einzelnen experimentellen Studien führten zu wiederholten Empfehlungen das TDM grundsätzlich in die klinisch-psychiatrische Therapie aber auch in klinische Pharma-Studien aufzunehmen. (334; 346). Dieser Empfehlung wurde durch die TDM Gruppe der AGNP (Vorsitz : Prof.C.Hiemke ) auf dem Hintergrund ihrer sorgfältigen Literaturrecherchen und speziellen klinisch-pharmakologischen Kompetenz besonderes Gewicht verliehen.(355588; 595; 605) Dabei spielte das TDM bei antidepressiver Therapie eine zunehmende Rolle. (363; 405). Auch in Vorschlägen für ein modernes psychopharmakologisches und biologisch-psychiatrisches Curriculum im Rahmen der psychiatrischen Weiterbildung gewannen Forderungen nach Basis-Kenntnissen des TDM zunehmenden Stellenwert. (417; 418)

Eine Integration pharmakokinetischer und pharmakogenetischer Forschungsmethoden wurde in Kooperation mit dem Institut für Klinische Pharmakologie der Charité erprobt. (558)

Obwohl inzwischen in vielen Ländern das TDM einen bedeutsamen Stellenwert im Behandlungsplan psychiatrischer Patienten gewonnen hat und inzwischen auch von vielen kommerziellen Labors angeboten wird, ist doch mit Bedauern festzustellen, dass der Leitungswechsel in verschiedenen deutschen psychiatrischen Kliniken zu einer Zerstörung bzw. massivem Abbau der dort jeweils vorhandenen speziellen fachlichen Kompetenz und Spezial-Labors geführt hat. Umso erfreulicher ist die Beobachtung, dass in vielen psychiatrischen Landeskrankenhäusern das TDM inzwischen einen klar definierten Stellenwert besitzt. In diesem Kontext ist insbesondere das Engagement von Prof.Dr. E.Haen und Prof. Dr. G.Laux im Rahmen des in Bayern angesiedelten AGATE-Projekts hervorzuheben.

Buch Plasmaspiegelbestimmung
Prof. Hiemke

Prof. Dr. Christoph Hiemke (Mainz); TDM Gruppe der AGNP

Prof. Dr. Rau

Prof. Dr. Marie Louise Rao (Bonn)

Prof. Dr. Haen

Prof. Dr. Ekkehart. Haen (Regensburg), Leiter des Instituts  AGATE

BMOe und Pierre

BMOe mit Prof. Pierre Baumann (Lausanne)

Prof. Dr. Laux_Prof.Dr.Baumann

Prof. Dr. Gerd Laux im Gespräch mit Prof. Dr. Pierre Baumann (rechts)