Lithium

(Zahlen in Klammern beziehen sich jeweils auf die entsprechenden Nummern im Publikationsverzeichnis. Durch Klicken auf den jeweiligen Link werden die relevanten Verzeichnisse in einem separaten Fenster geöffnet) 

Die ersten Forschungsaktivitäten zur klinischen Wirkung von Lithiumsalzen galten dem Aufbau einer exakten Dokumentation der in der Berliner Lithium-Katamnese langfristig betreuten und gelegentlich zu Spezialuntersuchungen herangezogenen ambulanten Patienten. (391)

Erste Erfahrungen z.B. über die Zusatzmedikation (14) und über Nebenwirkungen gaben schon bald Anlass für Untersuchungen zusammen mit Psychologen und Neurophysiologen zu den psychophysischen und später dann psychologischen Wirkungen der Lithiummedikation (21, 29, 55). Diese wiederum gaben den Anstoß zur Entwicklung neuartiger, in der Fachwelt oft kaum verstandener Theorien zum Wirkungsmechanismus von Lithium. Müller-Oerlinghausen, der sich in seiner Göttinger Studienzeit intensiv mit Fragen der Erkenntnistheorie beschäftigt hatte, legte immer großen Wert auf die strikte Trennung der jeweiligen Erklärungsebenen für Phänomene wie z.B. Veränderungen der Vigilanz, des Gedächtnisses oder der visuellen Reizverarbeitung aber auch der expressed emotions. ( vgl. 71; 73; 80; 83; 84; 90;    103; 112;138; 144; 153; 154; 162; 189; 190; 211; 263; 271; 274; 306;   366; 369;   553) Im Lauf der Zeit entwickelten wir daraus ein neuro-psycho-physiologisches Modell der Lithiumwirkung. ( z.B. 250; 274;   452)

Veränderungen der EEG-Vigilanz innerhalb des Konzeptes von Dieter Bente, der an der Berliner  Klinik die Abteilung für Neurophysiologie leitete, spielten eine besondere Rolle . (z.B. 154;   330)

Nachdem in den 80er Jahren Antikonvulsiva als Alternative zu Lithiumsalzen eingeführt wurden, haben wir uns mit den Vor-und Nachteilen  der verschiedenen Prophylaxe-Optionen immer wieder kritisch auseinandergesetzt. ( z.B. 112; 124; 144; 161; 169; 177; 184; 243; 311;   545 sowie Monografien, s.u.)

In der Zusammenarbeit mit HD Mühlbauer begannen wir in  den 80er Jahren den Fenfluramintest einzusetzen, um serotoninagonistische Effekte von Lithium genauer zu untersuchen. (135; 163; 192; 194; 231 ; 373; 463)  Später dienten dem gleichen Ziel Untersuchungen akustisch evozierter Potentiale in Zusammenarbeit mit Ulrich Hegerl. (227; 259; 267; 289;290;305; 319 ; 342; 352; 365; 367)  Wir haben damals die serotonergen Eigenschaften von Lithium als eine biologische Erklärungsmöglichkeit für -  insbesondere die -  antiaggressiven (315;   349; 351; 354; 358; 453; .609;   634) und von uns in  den späten 80er Jahren entdeckten und thematisierten antisuizidalen Eigenschaften der Lithiumsalze gesehen. Anlass dazu war auch eine klinische Einzelfallstudie , die eindrücklich den antiaggressiven Effekt von Lithium dokumentiert hatte. (217,   338) Im Laufe der Zeit, haben sich unsere diesbezüglichen Vorstellungen stärker differenziert  und wir sind, insbesondere in der Zusammenarbeit mit J.Roggenbach skeptischer geworden bezüglich der Validität von Studien mit  peripheren serotonergen “Markern”  (370; 408; 419;   548; 565;  613; 617; 623) Unsere derzeitige Sicht der möglichen biologischen Korrelate zur antisuizidalen Wirkung von Lithium haben wir kürzlich dargelegt  (663) .

Lithium ist eine prinzipiell nephrotoxische Substanz; dieser  Eigenschaft muss durch sorgfältiges  Monitoring und Edukation der Patienten  stets Rechnung getragen werden. In den 80er  Jahren wurden wir beunruhigt durch Berichte  v.a. dänischer und australischer Nephrologen , die Hinweise ergaben, Lithium könne schwerwiegende , irreversible Nierenveränderungen bewirken. Wir sind dieser Frage klinisch -experimentell in verschiedenen Untersuchungen zusammen mit Nephrologen nachgegangen  mit dem zunächst beruhigenden Ergebnis, dass bei korrektem Monitoring und Einhaltung der von der Mogens Schou  vorgeschlagenen maximalen und minimalen Lithium-Serum Konzentrationen praktisch kein Risiko einer langfristigen  Nierenschädigung besteht. (120; 146; 151; 182) . Dies entsprach den Befunden anderer erfahrener Lithiumforscher aus anderen Ländern. Inzwischen stehen uns aber Befunde an Patienten zur Verfügung, die über  20 bis 30 Jahre Lithium erhalten hatten und die  auf ein zwar kleines aber doch existierendes Risiko hinweisen, dass es auch bei sorgfältigem Monitoring und Vermeidung von Intoxikationen  zur Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz kommen kann.. Neuere Kommentare aus unserem Arbeitskreis  und aus unserer internationalen Lithiumforschungsgruppe IGSLI  nehmen darauf  Bezug (646; 648; 654 )

Die Berliner Lithium-Forschungsgruppe ist zusammen mit der Dresdner  Gruppe von W.Felber  über viele Jahre der Frage nachgegangen, ob Lithium das Suizidrisiko und damit die Exzess- Mortalität von Patienten mit affektiven Störungen reduzieren kann. Mehrminder zufällige Beobachtungen in unserer Depressionsambulanz ließen diese Idee entstehen. (269;   321; 327). Über 20 Jahre hinweg sind wir, anfangs in Zusammenarbeit mit Bernd Ahrens  und Thomas  Wolf  sowohl in großen internationalen Studien (347; 362; 387; 397; 402; 410) , in immer neuen methodischen Zugängen (361; 378; 388; 389; 420a; 424; 435)  wie auch in einer prospektiven kontrollierten Studie(629) der Frage nachgegangen , ob Lithium das Suizidrisiko senken kann und ob es sich hierbei um einen spezifischen , von der phasenprophylaktischen Wirksamkeit unterscheidbaren und von Lithium Alternativen nicht geteilten Effekt handelt. Wir entdeckten dabei, dass nicht nur die suizidbedingte, sondern auch die kardiovaskulär bedingte Exzess-Mortalität durch eine konsequente Lithiummedikation gesenkt wird. (z.B. 402). Im Rahmen einer großen kontrollierten Langzeitstudie (AMP; Studienleiter W.Greil)  zum Vergleich der Wirksamkeit drei verschiedener phasenprophylaktischer Medikationen  bestätigte sich die antisuizidale Wirkung von Lithium in unerwarteter Deutlichkeit. (426; 434;443; 444; 480 ) . In mehreren Übersichten wurde diese spezielle Eigenschaft der Lithiumsalze , die sich in vielen internationalen Studien und modernen  Meta-Analysen z,B. von Forschergruppen in Boston wie auch Oxford immer wieder bestätigt hat , wie auch die Geschichte ihrer  Entdeckung und Validierung dargestellt und Empfehlungen für den richtigen Umgang mit Lithiumsalzen gegeben. . (z.B. 545; 608;   650; 659; 664; 669) Hierzu diente auch die  Herausgabe eines deutschsprachigen und eines englischsprachigen  Kompendiums zur Lithiumtherapie , zusammen mit A.Berghöfer und W. Greil bzw. mit  P.Grof und M. Bauer (siehe Monographieverzeichnis). sowie die langjährige Betreuung und deutsche Übersetzung des von M.Schou verfassten Taschenbuches, das 2005 in sechster Auflage im Thieme Verlag erschienen ist.

Bedauerlicherweise wurde die Berliner Lithium- Katamnese, nach der Emeritierung von Prof. Müller- Oerlinghausen,  durch die Nachfolgerin des ehemaligen Klinikdirektors Prof. Dr. med. Helmchen in kurzer Zeit ersatzlos aufgelöst. Glücklicherweise konnten jedoch die überaus wertvollen, sich über Jahrzehnte erstreckenden Patientendaten gerettet werden. Sie waren und sind wesentliche Grundlage wissenschaftlicher Projekte, z.B. im Rahmen von IGSLI (siehe untern)
m Jahre 2021 wurde ich vom Begründer einer US-amerikanischen Organisation, die sich intensiv seit langer Zeit mit der Geschichte der internationalen Psychopharmakologie beschäftigt, gebeten, meinen persönlichen Beitrag zur internationalen Lithiumforschung über die vergangenen Jahrzehnte zu skizzieren. Das Ergebnis basierend auf über 250 Publikationen findet sich als Publikation Nr. 695 und kann hier im Originaltext nachgelesen werden.

Die Internationale Lithium-Forschungsgruppe IGSLI.
Im  Jahre 1988 haben Mogens Schou, Paul Grof und ich die internationale Forschungsgruppe IGSLI ( International Group fort he Study of Lithium Treated Patients)  in Wolverhampton (UK) bzw. Aarhus (DK) gegründet. Der Grundgedanke war, dass wir angesichts mancher damals drängender Fragen zur tatsächlichen Wirksamkeit  und zum Nutzen-Risiko-Verhältnis der Lithium-Langzeittherapie die Daten groߟer Kohorten von langfristig mit Lithium behandelten, sauber, d.h. nach europäischen Standards diagnostizierter und sorgfältig überwachter und dokumentierter Patienten benötigen würden, um solche Fragen zu der Effektivität und potentieller, auch seltener Risiken der Lithiumtherapie  valide beantworten zu können,- Fragen, die sich  nicht im Rahmen einer randomisierten , kontrollierten Studie oder durch die Katamnese notwendigerweise eher kleiner Patientengruppen aus einem einzelnen Zentrum beantworten lassen. Wir haben deshalb nur solche Zentren um Mitwirkung gebeten, die solche spezialisierten Lithium-Ambulanzen betrieben und die, zweitens, soviel Vertrauen zu uns und anderen von aus ausgewählten Zentren besaߟen, dass sie ihre eigenen Daten und Ergebnisse mit denen anderer Gruppen  zu teilen bereit sein würden. Deshalb haben wir uns zunächst und über viele Jahre ausschließlich auf europäische Psychiatergruppen gestützt, und zwar aus Dänemark, Deutschland,Italien, Kanada, Österreich, Schweden, Tschechoslowakei., und später auch Polen. Überall wirkten dort Kollegen/Kolleginnen, zu denen bereits freundschaftliche Verbindungen bestanden. Die politische Wende in 1989 erleichterte zudem die Kooperation mit den osteuropäischen Institutionen.

Wir vereinbarten eine lose Satzung und vor allem jährliche Treffen, die abwechselnd von einem der Zentren ausgerichtet wurden. Die Kosten wurden von den Teilnehmer selbst getragen. Industrielles Sponsoring war für Lithiumforschung ohnehin nicht verfügbar und sollte auch nicht sein. Der Vorsitz wechselte zwischen den Zentren. Derzeitiger Präsident ist Prof. Michael Bauer, ehemaliger  Mitarbeiter der Berliner Lithium Katamnese und jetzt Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Dresden.

In den ersten Jahren führte IGSLI vor allem große gemeinsame Studien zu dem in Berlin und Dresden entdeckten antisuizidalen Effekt von Lithium durch. (MORTA-Studie I-VI) Daran beteiligten sich fast alle IGSLI  Zentren und deren Spezialisten z.B. in Biometrie, Genetik, Endokrinologie usw.. Die Ergebnisse bestätigten die ursprünglichen Ergebnisse aus Deutschland und regten viele, andere Gruppen in der Wissenschaftswelt  zu weiteren Studien an. Sie boten auch neue Möglichkeiten, den ökonomischen Nutzen einer Lithiumprophylaxe genauer zu berechnen. Parallel dazu wurden vor allem von der kanadischen Gruppe ( Grof, Alda, Duffy u.a.) umfangreiche, methodisch aufwendige genetische Studien an einer Kerngruppe “echter”€œ bipolarer  Patienten begonnen, die sich durch eine eindeutige Lithium-response charakterisieren ließen.Im Verlauf dieser bis heute mit unterschiedlichen genetischen Methoden fortgesetzten  Studien wurde immer deutlicher, dass die Lithium-Response -€“ für deren Bestimmung  die Gruppe in Halifax eine inzwischen weltweit angewandte Methode entwickelte, die sog. Alda-Scale -  selbst eine genetische Basis hat. Echte Lithium-Responder reagieren deshalb meist schlecht oder gar nicht auf alternative sog. Stimmungsstabilisierer. Hierzu sind von mehreren IGSLI-Zentren wertvolle Einzelbeiträge geleistet worden.

Hilfreich war die unter dem jetzigen Präsidenten Erweiterung der IGSLi- Gruppe um weitere Spezialisten aus England, Holland und den USA.

Die Zusammenarbeit innerhalb IGSLI beruht auf kollegialer Bindung und Freundschaft sowie auf einem klaren gemeinsamen Interesse an der optimalen Therapie  von Patienten mit affektiven Störungen. Forschung war nie Selbstzweck für uns. So verwundert es nicht, dass viele der Mitglieder an der Erstellung jeweiliger nationaler Leitlinien zur Diagnostik und Therapie v.a. bipolarer Patienten beteiligt waren. Sie sorgten auch auf internationalem Niveau und auf dem Hintergrund  einer echten “evidence based medicine”  dafür, dass die Lithiumtherapie den ihr zukommenden Stellenwert im Behandlungsplan dieser Patienten behält oder -€“ zumindest in den USA - zurückgewinnt. Dabei kommt IGSLI als einer Non-Profit-Organisation ohne jedes pharmazeutisches Sponsoring eine besonderer Bedeutung  als -unabhängiges Expertengremium- zu.

Nachstehend finden Sie einige neuere Vorträge und Publikationen zum Thema Lithium

Therapy with lithium salts between publicity and reality_Alda_Cagliari_2010 (Vortrag von Martin Alda Halifax, Canada)
Antisuizidale Wirksamkeit von Lithium_Forschung über 20 Jahre
Nebenwirkungen von Lithium - ein Update 2012
The Contributions of Lithium and Clozapine for the Prophylaxis and Treatment of Suicidal Behavior_2015

Lithium1
2016-04-07 (4)

Berliner Lithium Katamnese ca. 1990 v.Mi. Gastarzt aus Chile Dr. Jorges Cabrera

2016-05-11 (1)

Berliner Lithium Katamnese ca. 2000. G.li. Dr. Anne Berghöfer, g.re. Prof. Dr. Gerhard Ulrich

2016-08-19 (3)

Ilse Becker, leitende Krankenschwester der Berliner Lithium- Katamnese von ihrer Gründung bis zu ihrer Auflösung nach 2002.

2016-08-19 (6)

Dr. med. Christiane Wildgrube, Assitentin an der Berliner Lithium- Katamnese

Prof. Dr.Tom Bschor

Dr. med. Tom Bschor, OA an der Berliner Lithium Katamnese

Dipl.Psych.Thomas Wolf

Dipl. Psych. Dr. Thomas Wolf und BMOe

IGSLI_Gründungsväter_Prof. Müller-Oerlinghausen_Prof. Grof_Prof_Schou

IGSLI Gründungsväter (v.li.nach re) Prof. Müller-Oerlinghausen Prof. Grof
Prof Schou

DSC01567_Neunkirchen_2004 2016-04-07 (5)

IGSLI Jahrestreffen 2004 in Neunkirchen. Dritter v.li.: Prof. Dr. P. Zvolsky , Prag. Vierter v.li.: Prof Dr. Mogens Schou †.

CIS17_0423

Internationaler Kongress zur Prävention bei Suizidgefährdeten Rom 2017
                                       Präsentation zum Vortrag

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IGSLI Jahrestagung Dresden

IGSLI Jahrestagung Dresden: 1. von li.: Prof. Felber, Prof. Thau, Prof. Eva Grof, Prof. Alda, Dr. Anne Berghöfer. Dahinter von li: Prof. Jörn Conell, Prof. Bauer, Dr. Adli, Dr. Bschor, Prof. Zvolsky , Prof. Schou . Dahinter: N.N., BMOe, Dr. Ahrens, N.N., Prof. Paul Grof,

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